Wie man sich selbst im Ausland kennenlernt

Mein Auslandssemester und meine Exkursion nach Kirgistan und mein Schulaustausch nach Frankreich gehören zu den prägendsten Erfahrungen meines Lebens. Diese drei völlig unterschiedlichen Erfahrungen verbindet, dass sie alle im Ausland stattgefunden haben. Auslandserfahrung prägt die eigene Persönlichkeit wie kaum etwas anderes, weil man gezwungen wird, über sich hinauszuwachsen und die eigene Komfortzone zu verlassen. Um das Potenzial von Auslandsreisen für die Persönlichkeitsentwicklung voll auszuschöpfen, muss man sich jedoch auf die jeweilige Landeskultur einlassen und darin eintauchen.

Warum man andere Kulturen kennenlernen sollte

Obwohl es zunächst paradox erscheinen mag, kann man sich selbst während Auslandsreisen besser kennenlernen. Damit meine ich keine spirituelle Reise zu seinem Inneren Ich, sondern dass man durch eine fremde Kultur dazu gezwungen wird, die eigenen Gewohnheiten, Werte und Normen zu hinterfragen, die sonst als normal erscheinen. Wenn man sich in eine fremde Kultur begibt, erkennt man eher, welche Verhaltensmuster man von seiner Heimat übernommen hat und was an ihnen eventuell problematisch ist. Beispielsweise habe ich während meiner Exkursion nach Kirgistan erkannt, dass Pünktlichkeit in anderen Kulturen unterschiedlich ausgelegt und wertgeschätzt wird.

Bei diesen Erkenntnissen ist es wichtig, dass man keine Wertung vornimmt. Kulturell geprägte Verhaltensweisen sind nicht kategorisch gut oder schlecht, sondern es hängt von den eigenen Werten ab, wie man sie interpretiert. Welche Gewohnheiten man übernehmen oder ablegen möchte, ist also davon abhängig, welche Werte man für sich selbst als wichtig empfindet.

Das Leben in einer fremden Kultur hat den Vorteil, dass die kulturellen Zwänge der Heimat wegfallen und durch das neugierige Entdecken einer anderen Lebensweise und Einstellung ersetzt werden. Das Eintauchen in ein anderes Land ist wie eine neue Perspektive auf das Leben zu erhalten, wenn man sich darauf einlässt. Statt sich bei Heimweh also darauf zu konzentrieren, was im Vergleich zur Heimat alles anders ist, sollte man diese Unterschiede als Chance wahrnehmen, die eigene Normalität zu hinterfragen.

Wie taucht man in eine andere Kultur ein?

Um vollständig in eine andere Kultur einzutauchen, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:

  1. Man muss sich auf die Kultur und Lebensweise einlassen.
  2. Man muss eine gewisse Zeit im Zielland verbringen (meiner Meinung nach mindestens vier Wochen).
  3. Man muss vor Ort neue Menschen kennenlernen und dafür bestenfalls die lokale Sprache sprechen.

Kurz gesagt muss unsere mentale Einstellung stimmen und wir müssen bereit sein, unsere Komfortzone zu verlassen. Man sollte mindestens vier Wochen im Zielland verbringen, da sich alles darunter eher wie Urlaub anfühlt und man Zeit braucht, um sich vor Ort einzuleben. Außerdem sollte man idealerweise alleine oder zu zweit unterwegs sein, da man sich als Gruppe sonst zu sehr abkapselt und nicht mit Menschen vor Ort in Kontakt kommt.

Es ist nicht einfach, in eine andere Kultur einzutauchen, weil unsere Komfortzone versucht, uns davon abzuhalten. Mit ein wenig Willenskraft und einer anfänglichen Überwindung wird es aber mit der Zeit leichter und macht mehr Spaß, je besser man die Kultur kennenlernt.

Die Möglichkeiten für eine solche Reise sind vielfältig. Wenn man schon im Berufsleben ist, könnte ein ausgedehnter Urlaub oder ein Sabbatical die Lösung sein. Manchmal ist auch eine zeitlich befristete Versetzung ins Ausland möglich. Für Studierende bietet sich ein Auslandssemester oder ein Praktikum im Ausland an. Für Schüler*innen gibt es ebenfalls Austauschangebote oder die Möglichkeit, nach dem Schulabschluss ein Freiwilliges Soziales Jahr im Ausland zu absolvieren.

Die wichtigste Voraussetzung ist, dass man sich mental auf etwas Neues einlässt. Die eigene Komfortzone zu verlassen ist nie leicht, aber es lohnt sich und man wird ein Leben lang von den Erfahrungen profitieren.