Lucas Brenner » Artikel » Wie man seine Leidenschaft findet



Die Zeiten, in denen man sein gesamtes Leben bei einem einzigen Arbeitgeber gearbeitet hat, sind vorbei. Die meisten Menschen werden in ihrem Leben zahlreiche Arbeitgeber haben und verschiedene Positionen bekleiden. Trotzdem haben besonders junge Menschen Angst, falsche Entscheidungen zu treffen und sich Zukunftschancen zu verbauen.

Die Studienwahl ist die erste große Entscheidung, die junge Erwachsene treffen müssen. Möchte ich überhaupt studieren? Falls ja, welche Fachrichtung interessiert mich? Und wie verdiene ich dann nach meinem Studium Geld?

Zu all diesen schwierigen Fragen kommt der soziale Druck hinzu, eine klare Zukunftsvision zu haben. Das Studienfach zu wechseln fühlt sich falsch an und man muss sich dafür häufig rechtfertigen.

Es ist absolut kein Problem, wenn du nach deinem Schulabschluss noch nicht weißt, was du beruflich machen möchtest. Erfahrungsgemäß ergeben sich die besten Möglichkeiten eher zufällig. Natürlich solltest du nicht auf Glück oder Zufall warten – wenn du die in diesem Artikel vorgestellten Techniken anwendest, wirst du deine Angriffsfläche für glückliche Zufälle jedoch stark vergrößern.[1]

Gedankenexperimente

Bevor du dich für irgendetwas entscheidest, solltest du deine Optionen zuerst in Gedanken durchspielen. Wenn du vor der Frage stehst, was du studieren möchtest, solltest du dir Zeit nehmen und erst einmal alle Optionen aufschreiben, die für dich in Frage kommen. Bestenfalls sind das drei bis fünf Möglichkeiten, die du dir auf den ersten Blick gut vorstellen kannst.

Im nächsten Schritt nimmst du dir jede Option einzeln vor und spielst in Gedanken die Zukunft durch, die dich mit dieser Entscheidung erwartet. Wenn du zum Beispiel Medizin studieren möchtest, würden dich ein Studium mit zahlreichen Klausuren und im späteren Berufsleben 12-Stunden-Schichten im Krankenhaus erwarten. Stelle dir deine persönliche Zukunft so genau wie möglich vor und stütze dich dabei auf Erfahrungsberichte von Menschen, die diese Entscheidung bereits getroffen haben.

Wenn du diesen Schritt für alle deine Optionen wiederholt hast, wirst du merken, wie dir zu allen Optionen Vor- und Nachteile einfallen. Schreibe diese in einer Liste auf. Dann solltest du Abstand gewinnen und dich ablenken. Nach einer Woche kannst du dir die Liste wieder anschauen und die verschiedenen Optionen gegeneinander abwägen. Sprich wenn möglich mit Freunden, Familienmitgliedern oder Menschen, die in deinen Wunschberufen tätig sind.

Im letzten Schritt wählst du die Option aus, die du persönlich als die beste empfindest. Deine persönliche Meinung muss sich nicht mit der gesellschaftlichen decken, sie sollte sich aber auf Fakten statt auf Beschönigungen stützen. Wenn dir mehrere Optionen rational passend erscheinen, vertraue auf dein Bauchgefühl.

Beispielsweise kannst du eine Münze werfen, um den Zufall entscheiden zu lassen. Achte in dem Moment, in dem du erfährst, ob die Münze Kopf oder Zahl zeigt, auf dein Bauchgefühl. Empfindest du kurzzeitig Enttäuschung, sagt dir dein Unterbewusstsein, dass die andere Option die bessere Wahl ist – dann solltest du diese Möglichkeit auswählen.

Entscheidungen überprüfen und ausprobieren

Im letzten Schritt hast du die für dich beste Zukunftsoption identifiziert, aber noch keine Entscheidung getroffen. Jetzt musst du deine Entscheidung im echten Leben ausprobieren. Dabei solltest du folgende Grundsätze beachten:

Was bedeuten diese Grundsätze? Angenommen, du musst dich entscheiden, ob du Mathematik oder BWL studieren möchtest. Der erste Grundsatz besagt, dass du lieber Mathematik wählen solltest, weil es deutlich leichter ist von Mathe in die Wirtschaft zu wechseln als andersherum. Das bedeutet, dass auch der zweite Grundsatz erfüllt ist: Du kannst mit einem Mathe-Studium in mehr andere Fachrichtungen wechseln, die Entscheidung ist also leicht umkehrbar.

Der dritte Grundsatz ist der wichtigste. Wenn eine Entscheidung auf dem Papier zwar perfekt erscheint, dich aber nicht glücklich machen wird, dann ist es die falsche Wahl. Wenn du Mathematik magst und dich deine späteren Berufschancen begeistern, dann ist deine Entscheidung quasi gefallen.

Diese Entscheidung solltest du jetzt im echten Leben umsetzen. Du kannst beispielsweise ein Praktikum absolvieren oder Schnupperkurse an der Uni besuchen. Wenn sich die Entscheidung danach immer noch richtig anfühlt, dann kannst du mehr investieren und dich beispielsweise an der Uni für Mathematik einschreiben.

Wie du siehst, solltest du große Entscheidungen (wenn möglich) auf kleinere Schritte herunterbrechen. So kannst du einfacher nachsteuern und dich umentscheiden, wenn dir die Wahl nicht mehr gefällt.

Nicht der „Sunk Cost Fallacy“ verfallen

Die „Sunk Cost Fallacy“ beschreibt, dass wir dazu tendieren, die bereits investierten Kosten in eine Sache zu überschätzen, sodass wir uns nicht mehr umentscheiden.

Dieser Fehler ist besonders bei der Studienwahl fatal! Wenn du im 3. Semester merkst, dass dein Studium nichts für dich ist, solltest du die Fachrichtung wechseln! Was machen drei Semester schon im Vergleich zu deinem späteren jahrzehntelangen Berufsleben aus?

Scheue dich nicht davor, Entscheidungen zu ändern, wenn du merkst, dass sie falsch waren oder dich jetzt nicht mehr begeistern. Du solltest deiner Leidenschaft bestmöglich folgen und dich für deine Zukunftsvision begeistern können. Dein Leben sollte nicht nur von deinen vergangenen Entscheidungen gesteuert werden, sondern du solltest es aktiv in der Gegenwart gestalten.

Kriterien einer guten Leidenschaft

Die folgenden Kriterien machen eine gute Leidenschaft aus. Es muss nicht jeder Punkt erfüllt werden, aber auf deine Zukunftsvision sollten möglichst viele Punkte zutreffen. Du kannst deine Optionen mit diesen Kriterien prüfen und sie zum Anlass nehmen, deine Entscheidungsmöglichkeiten zu überarbeiten.



Wenn du eine Leidenschaft gefunden hast, auf die viele dieser Punkte zutreffen und du Stück für Stück Entscheidungen getroffen hast, dann bist du auf einem guten Weg!



Fußnoten

[1] Vielen Dank an Elias A., der mich über mein Kontaktformular auf dieses Thema aufmerksam gemacht hat.