Die eigenen Gewohnheiten verbessern

Gewohnheiten stellen die grundlegenden Bausteine unseres Lebens dar. Viele Gewohnheiten laufen unterbewusst ab, aber wir können sie auch aktiv beeinflussen. Menschen mit produktiven und gesunden Gewohnheiten sind nicht nur glücklicher, sondern führen auch ein erfüllteres Leben. Wir alle kennen die potenziellen Vorteile positiver Gewohnheiten, aber schaffen es (nicht immer), sie auch regelmäßig durchzuhalten.

Im Internet gibt es unzählige Artikel und Tipps, wie man solche Gewohnheiten am besten entwickelt und am schnellsten negative Gewohnheiten ablegen kann. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse aus verschiedenen Quellen zusammen, beispielsweise aus dem Buch „Die 1%-Methode“ von James Clear oder den „71 Tips For Living A Better Life“ von Graham Mann. Somit kann dieser Artikel als Startpunkt in die Welt der Gewohnheiten genutzt werden.

Der Aufbau einer Gewohnheit

Eine Gewohnheit setzt sich aus Reiz, Verlangen, Reaktion und Belohnung zusammen. Ein Reiz löst das Verlangen aus, eine Handlung durchzuführen. Als Reaktion auf das Verlangen gehen wir der Aktivität nach, wofür wir belohnt werden, sodass das Gehirn die Handlung das nächste Mal noch wahrscheinlicher ausführen wird. Diese vier Bausteine führen dazu, dass sich eine Gewohnheit in unser Verhalten einbrennt.

Der Reiz sollte für positive Gewohnheiten möglichst offensichtlich und für Handlungen, denen wir nicht nachgehen möchten, möglichst unsichtbar sein. So gut wie alles kann ein Reiz für eine Gewohnheit sein: die Süßigkeiten auf dem Küchentisch, aber auch die Sportschuhe im Flur. Reize entstehen allerdings nicht nur zufällig, sondern wir können Dinge aktiv als Reiz definieren. Beispielsweise können wir ein Buch auf unseren Nachttisch legen, um uns abends daran zu erinnern, vor dem Einschlafen noch etwas zu lesen.

Das Verlangen wird durch den Reiz ausgelöst und bestimmt die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Gewohnheit ausführen. Wie groß das Verlangen ist, hängt unter anderem davon ab, wie groß die Belohnung ist, die sich unser Gehirn von der Gewohnheit verspricht. Beim Essen von Süßigkeiten erwartet das Gehirn beispielsweise durch den Zucker einen Energieschub und beim Joggen weiß es, dass es sich danach zufrieden fühlen wird. Wir sollten das Verlangen für positive Gewohnheiten also so groß wie möglich gestalten, indem wir uns angemessen für die Ausführung der Gewohnheit belohnen und sie so angenehm wie möglich gestalten. Bei negativen Gewohnheiten gilt das Gegenteil: Sie sollten so unangenehm und wenig belohnend wie möglich sein.

Als Reaktion auf Reiz und Verlangen führen wir die Wahrscheinlichkeit dann tatsächlich aus. Sie ist der Höhepunkt, auf den die ersten beiden Bausteine hinarbeiten. Je einfacher die Ausführung der Gewohnheit ist, desto wahrscheinlicher gehen wir ihr auch nach. Damit ist nicht gemeint, dass die Gewohnheit an sich simpel sein soll, sondern dass wir ihre Ausführung schon im Vorhinein so gut es geht unterstützen, um mentale Energie zu sparen. Beispielsweise kann man das Musikinstrument prominent platzieren und so weit wie möglich aufbauen, damit man das nicht mehr tun muss, wenn man üben möchte.

Die Belohnung ist der Ansporn für das Gehirn, die Gewohnheit in Zukunft zu wiederholen. Erhält das Gehirn eine angemessene Belohnung, wird es die Handlung wahrscheinlicher erneut ausführen. Belohnungen müssen nicht immer etwas Sündhaftes sein: Sich nach dem Sport ausgeglichen und weniger gestresst zu fühlen, ist ebenfalls eine Belohnung. Bei negativen Gewohnheiten sollte die Belohnung dementsprechend möglichst klein ausfallen.

Es besteht allerdings ein Konflikt zwischen sofortiger und verzögerter Belohnung, der sich nur durch etwas Disziplin und die Konzentration auf die langfristigen Vorteile lösen lässt. Evolutionär gesehen bevorzugt unser Gehirn sofortige Belohnungen, die meist von negativen Gewohnheiten stammen. Doch die verzögerten Belohnungen von positiven Gewohnheiten sind nicht nur größer, sondern sie sichern auch auf lange Sicht die Gesundheit und Produktivität.

Wie man positive Gewohnheiten zuverlässiger durchhält

Wer die psychologischen Grundlagen von Gewohnheiten verstanden hat, kann dazu übergehen, sie für sich zu nutzen. Wir können die Funktionsweise unseres Gehirns dafür verwenden, uns auf positive Gewohnheiten zu konzentrieren und negative abzulegen.

Auf den Prozess konzentrieren

Du wirst enttäuscht sein, wenn du nach den ersten drei Jogging-Runden dein Ziel, fünf Kilometer am Stück zu laufen, noch nicht erreicht hast. Das ist normal, muss aber nicht heißen, dass du dich demotivieren lassen solltest! Gerade hochgesteckte Ziele spornen dazu an, produktiv und effektiv zu arbeiten. Du führst aber auf der anderen Seite leicht dazu, dass man aufgibt, wenn man das Ziel nicht so schnell wie erwartet erreicht.

Es hilft, wenn man sich statt auf ein bestimmtes Ziel auf den Prozess an sich konzentriert. Man sollte es mindestens genauso als Erfolg feiern, in den letzten vier Wochen regelmäßig gelaufen zu sein, auch wenn du die fünf Kilometer noch nicht erreicht hast. Das Stichwort ist Regelmäßigkeit. Nur wer eine Gewohnheit regelmäßig ausführt, wird letztendlich sein Ziel erreichen.

Die eigene Identität verändern

Die Gewohnheiten, die wir ausführen, basieren auf den Identitäten, mit denen wir uns selbst (unterbewusst) identifizieren. Wenn wir uns als Sportler*in sehen, werden wir eher unserem Workout nachgehen. Wenn wir uns hingegen als faul identifizieren, geben wir unserem Unterbewusstsein damit ungewollt den Befehl, weniger Sport zu machen, um einen Widerspruch zu vermeiden. Das Gehirn mag keine Widersprüche und passt deswegen unsere Gewohnheiten so an, dass sie mit unserer Identität übereinstimmen.

Um auf Kurs zu bleiben und die neue Gewohnheit beizubehalten, müssen wir also zuerst unsere Identität anpassen. Durch diese Umformung entsteht der Wille, unserer Identität gerecht zu werden, weswegen wir die damit verbundenen Gewohnheiten eher ausführen werden.

2-Minuten-Gewohnheiten

2-Minuten-Gewohnheiten sind Handlungen, die nicht länger als zwei Minuten dauern. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sie nicht auch länger ausführen können soll. Allerdings haben diese Gewohnheiten den Vorteil, dass die für ihre Durchführung nötige Überwindung sehr klein ist und wir sie deswegen eher ausführen. Wenn wir einmal mit der Ausführung angefangen haben, ist es dann viel einfacher, noch länger durchzuhalten.

Beispielsweise können wir uns vornehmen, zwei Minuten lang zu lesen. Das Geniale an dieser Vorgehensweise ist, dass man nach zwei Minuten meist so von der Aufgabe eingenommen ist, dass man weitermachen möchte. Und selbst an den Tagen, an denen man wirklich nur zwei Minuten liest, ist das besser als gar nichts.

Den eigenen Fortschritt visualisieren

Vergleiche mit dem Ich der Vergangenheit sind produktiv und lehrreich, während Vergleiche mit dem Ideal der Zukunft oder anderen Menschen nur negative Emotionen auslösen. Die Visualisierung des eigenen Fortschritts kann helfen, Vergleiche mit der Vergangenheit zu fördern und dadurch Motivation zu erzeugen.

Fortschritt zu visualisieren ist leicht. Es reicht, einen Kalender auszudrucken und jeden Tag mit einem X zu markieren, an dem man die gewünschte Gewohnheit geschafft hat. Außerdem gibt es zahlreiche Apps wie „Streaks“, welche die Visualisierung digitalisieren und zahlreiche Analysemöglichkeiten hinzufügen.

Alternativ kann man sich mit einem Freund oder einer Freundin zusammentun und die Gewohnheit zusammen entwickeln. Durch den anderen Menschen fühlt man sich eher verpflichtet, der Gewohnheit treu zu bleiben und man hat durch den sozialen Kontakt auch mehr Spaß.

Wer einen Schritt weiter gehen möchte, kann auch um Geld oder andere Dinge wetten. Beispielsweise könnte man vereinbaren, dem Partner 50 € zahlen zu müssen, wenn man seine Gewohnheit nicht erfüllt. So verhindert man, dass man wegen eines schlechten Tages den gesamten Fortschritt hinwirft und aufgibt.

Dan Sullivan führt in seinem E-Book „The Gap And The Gain“ aus, wie genau man Fortschritt und Erfolg messen sollte.

Neue mit alten Gewohnheiten verknüpfen

Es kann sehr hilfreich sein, neue Gewohnheiten mit bereits etablierten zu verbinden. So ist der Reiz, der die Gewohnheit auslöst, automatisch gegeben. Die ältere Gewohnheit fungiert sozusagen als Stütze und hilft der neuen Gewohnheit auf die Sprünge.

Wenn man diese Methode mit einem der anderen Tipps verknüpft, ist sie sogar noch wirkungsvoller. Wichtig ist jedoch auch hier, sich nicht zu übernehmen. Die Konsequenz dieser Überlastung könnte das Aus für beide Gewohnheiten bedeuten.

Gewohnheiten sollen Spaß machen

Auch positive Gewohnheiten sollten Spaß machen, damit wir sie gern ausführen.

Als ich vor einiger Zeit joggen ging, lief ich an einem Jungen im Grundschulalter vorbei. Er fragte mich, was ich machen würde. Als ich erklärte, dass ich laufen ginge, antwortete er: „Ist es nicht langweilig, die ganze Zeit nur zu laufen?“ Durch diese einfache Frage wurde mir bewusst, dass Spaß notwendig ist, um eine Gewohnheit durchzuhalten. Die verschiedenen Arten von Spaß ermöglichen es uns, Freude an unseren Gewohnheiten zu entwickeln und langfristiger zu denken.

Natürlich gibt es Dinge, die man einfach tun muss, auch wenn sie im Moment keinen Spaß machen. Aber Gewohnheiten, mit denen wir den Großteil unserer Tage verbringen, sollten nicht zwangsläufig dazuzählen. Ich kann mir kein glückliches, zufriedenes Leben vorstellen, in dem wir den Spaß an den eigenen, positiven Gewohnheiten verlieren. Du musst nur eine spaßige Alternative für die Aktivitäten finden, deren Vorteile du zwar erreichen möchtest, an denen du aber keinen Spaß hast.