Lucas Brenner » Artikel » Wieso die Geografie die Welt bestimmt



Die Geografie ist eine vielseitige und tagesaktuelle Wissenschaft. Ihre Erkenntnisse lassen sich in der Geopolitik, Medizin und Wirtschaft anwenden. Wer ein grundlegendes Hintergrundwissen besitzt, kann Nachrichten einordnen und Konflikte verstehen.

Ich studiere ich Geografie und bin deshalb etwas voreingenommen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass diese Wissenschaft in nahezu allen Bereichen des Lebens eine Rolle spielt.

Wo man der Geografie im Alltag begegnet

Geografie ist viel mehr als Erdkunde oder Länderkunde. Es geht nicht (nur) darum, zu wissen, dass Berlin die Hauptstadt Deutschlands ist und circa 3,6 Millionen Einwohner hat.

Wer im Supermarkt einkauft, kommt mit der Geografie in Berührung: Die Lieferketten, die den Supermarkt versorgen, die globalen Handelsströme und die Landwirtschaft sind Aspekte der Geografie.

Wer digital arbeitet, nutzt Rohstoffe aus Bergwerken, Internetkabel am Grunde der Ozeane und kommt mit dem Weltmarkt in Berührung.

Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, wie hoch die Vulnerabilität der Gesellschaft ist und welche Rolle die medizinische Geografie spielt, die unter anderem die Ausbreitung von Krankheiten untersucht.

In den Nachrichten wird regelmäßig Kartenmaterial eingeblendet, um den Verlauf von Konflikten, die Auswirkungen von Naturkatastrophen und den Ausbau der Infrastruktur darzustellen.


Überall begegnet uns die Geografie. Häufig ist sie eng mit anderen Wissenschaften verknüpft. Sie bestimmt den Rahmen, in dem menschliches Handeln möglich ist.

Warum ist es zwischen Indien und China, zwei der bevölkerungsreichsten Staaten der Erde, noch nicht zum Krieg gekommen? Weil ihre einzige Grenze der Himalaya ist. Und warum könnten sie nun doch aneinandergeraten? Weil beide ihre Marine ausbauen und sich auf dem Meer begegnen.

Die Geografie setzt nicht nur geopolitische Grenzen, sondern auch wirtschaftliche. Der Suezkanal ist eine wichtige internationale Handelsroute. Welche Folgen ein Schiff haben kann, das diese Route blockiert, hat die Welt durch die „Evergreen“ erfahren.

Die Konsequenzen der Corona-Pandemie müssen nicht beschrieben werden, aber auch hier lässt sich durch die Geografie erklären, wie sich das Virus von China in die Welt ausbreiten konnte.

Wieso geografisches Hintergrundwissen nützlich ist

Veränderung des eigenen Weltbilds

Wer geografisches Grundwissen besitzt, wird die Welt aus einer ganz anderen Perspektive sehen. Wenn man die Augen offenhält, sieht man plötzlich überall geografische Prozesse: in der Heimatstadt, beim Einkaufen oder abends beim Fußballgucken.

Die geografischen Raumkonzepte spielen überall eine Rolle: der Raum als Container, als System von Lagebeziehungen, als subjektive Perspektive und als Konstrukt. Aber was heißt das?

Der Raum als Container beschreibt die objektiven Fakten. Eine Stadt hat beispielsweise eine Einwohnerzahl, Fläche und eindeutige Koordinaten.

Der Raum als System von Lagebeziehungen bedeutet, dass Orte Verbindungen zu anderen Orten haben. Diese Verbindungen können beispielsweise wirtschaftlich oder politisch, also Handelswege oder diplomatische Verknüpfungen, sein.

Der Raum als subjektive Perspektive ist der Eindruck eines Ortes, der für jeden Menschen anders ist. Was verbindet man mit dem Ort? Die Karibik gilt als wunderschönes Urlaubsziel – aber auch als Heimat der Piraten und ihrer Schätze.

Der Raum als Konstrukt bedeutet, dass die Darstellung von Räumen manipuliert werden kann. Das Reisebüro kann einen heruntergekommenen Tourismusort beispielsweise als Paradies darstellen.

Durchschauen und Einordnen von Nachrichten

Durch diese geografischen Raumkonzepte kann man die Nachrichten einordnen. Wer sich mit der syrischen Geografie auseinandersetzt, versteht, warum der dortige Bürgerkrieg schon so viele Jahre wütet. Wer sich über die Arabische Halbinsel informiert, weiß, warum die Ölstaaten so reich sind, aber auch, dass sie in den nächsten Jahrzehnten vor Herausforderungen stehen.

Durch die Geografie hat man ein umfassenderes Verständnis für die Politik, kann mitreden und ist nicht so leicht manipulierbar.

Wissenschaftliche Verknüpfungen

Da die Geografie mit vielen Wissenschaften in Berührung kommt, kann man sein eigenes Wissen in einem Feld durch sie erweitern. Wenn du dich für Wirtschaftswissenschaften interessierst, kannst du durch die logistischen Prozesse und Handelsströmungen der Geografie dazulernen.

Wenn du eher für Psychologie brennst, ist es für dich verlockend, dich mit den psychischen Auswirkungen der subjektiven Raumkonzepte auseinanderzusetzen.

Und wenn du Eisenbahnen magst, kannst du dich mit der Eisenbahninfrastruktur beschäftigen.

Empfehlungen für den Einstieg

Durch den Umfang der Geografie und ihre vielen Einsatzgebiete kann sie überwältigend erscheinen. Dabei ist der Einstieg ganz leicht! Suche dir ein Thema aus, das dich interessiert. Je konkreter das Thema, desto leichter lassen sich die Materialien eingrenzen.

Wenn du dich für Geopolitik interessierst, kann ich dir die Bücher von Tim Marshall empfehlen: „Die Macht der Geographie“ und „Die Macht der Geographie im 21. Jahrhundert“. Beide sind verständlich und beleuchten die Hintergründe der politischen Ereignisse in der ganzen Welt.

Am wichtigsten ist, sich nicht von der Fülle an Informationen erschlagen zu lassen. Fange bei den Grundlagen an und arbeite dich dann vor. Mit der Zeit wirst du sehen, dass sich neue Verknüpfungen ergeben haben und die Geografie dein Weltbild verändert hat!