Alles lernen können
Lernen ist nicht nur für Schüler*innen und Studierende, sondern auch für alle anderen Menschen wichtig, die sich weiterentwickeln möchten. Das menschliche Gehirn lernt alle Informationen, die es aufnimmt, auf die gleiche Art und Weise. Dieser Lernvorgang wurde wissenschaftlich erforscht, sodass wir wissen, mit welcher Methode der Mensch am besten lernen kann.
In diesem Artikel stelle ich dir mein Lernsystem vor, das sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zunutze macht. Ich werde mich dabei vor allem auf mein Studium beziehen, allerdings kann mein System genauso gut auf die Schule, den Berufsalltag oder deine Freizeit-Projekte übertragen werden.
Grundsätze des Lernens
Mein Lernsystem baut auf einigen Grundlagen auf. Das beste System bringt nichts, wenn man diese fünf Grundsätze des Lernens nicht umsetzt.
- Man kann pro Tag nur eine bestimmte Zeitdauer zuverlässig lernen. Deswegen solltest du regelmäßig Pausen einlegen und dir nicht zu viel auf einmal vornehmen.
- Jeder Mensch hat ein eigenes Lerntempo. Verzweifle nicht, wenn deine Mitmenschen schneller lernen als du. Wie schnell du lernst, hat nichts damit zu tun, wie intelligent du bist (oder umgekehrt).
- Jeder Mensch lernt in einer anderen Umgebung besser.
- Man lernt nur etwas, wenn man sich auf das Material konzentriert und sich nicht von anderen Dingen ablenken lässt.
Notizen erstellen
Während man das Lernmaterial durcharbeitet, sollte man sich Notizen erstellen. Das gilt für alle Lernmaterialien: Bücher, Videos, Vorlesungen, Websites und so weiter. Diese Notizen kannst du beispielsweise in deinem Externen Gehirn speichern.
Wichtig dabei ist, eigene Formulierungen zu verwenden und das Aufgeschriebene wirklich verstanden zu haben. Wer zu einer Ressource keine Notizen macht, wird die Informationen früher oder später wieder vergessen.
Wie ausführlich deine Notizen sein sollten, hängt von deiner persönlichen Einstellung ab. Die Notizen sollten so lang sein, dass du auch Monate später ausschließlich anhand der Aufzeichnungen dein Verständnis des Themas erneuern kannst. Gerade in neuen Themengebieten sind die Notizen also besonders am Anfang länger.
Ich schreibe meine Notizen stichwortartig auf. Dafür verwende ich ein einfaches Layout mit Überschriften und Stichpunkten, die ich je nach Bedarf einrücke, um Hierarchien darzustellen. Außerdem markiere ich die wichtigsten Teilinformationen gelb. Abbildungen und Grafiken füge ich dann ein, wenn sie das Verständnis des Themas verbessern oder beschleunigen, beispielsweise, wenn sie eine umständliche schriftliche Erklärung ersetzen können.
Karteikarten erstellen
Aus meinen Notizen erstelle ich sofort, nachdem ich eine Notiz fertiggestellt habe, Karteikarten. Pro Karteikarte formuliere ich eine Frage, die dann einen Teil meiner Notiz als Antwort hat. Diese Fragen sind normalerweise recht einfach gestrickt (z. B. „Was ist die Definition von X?“ oder „Was unterscheidet Y von Z?“) und die Antworten werden aus meinen Notizen kopiert.
Um meine Karteikarten zu erstellen, nutze ich das Programm „Anki“. Die Computer-Variante dieses Programms ist kostenlos, auf Mobilgeräten kostet es etwas.
Karteikarten lernen
Anki hat den Vorteil, dass es nicht nur zur Erstellung von Karteikarten geeignet ist, sondern auch zum Lernen. Wenn man eine Karte beantwortet hat, muss man angeben, ob die Antwort richtig war bzw. wie leicht es war, die richtige Antwort zu geben. Darauf basierend stellt Anki die Karteikarte für einen bestimmten Zeitraum zurück. Falsch beantwortete Karten werden sehr schnell wiederholt und bei richtig beantworteten Karten richtet sich das Wiederholungsintervall nach der Leichtigkeit der Antwort.
Durch dieses System werden die Prinzipien des „Active Recalls“ und der „Spaced Repetition“ umgesetzt, die in der Wissenschaft als die effektivsten Lernmethoden gelten. „Active Recall“ beschreibt, dass man Dinge, die man lernen möchte, regelmäßig abfragen sollte, ohne dabei Hilfsmittel wie die eigenen Notizen zu verwenden. Nur dann wird das Gehirn dazu gebracht, das Wissen wirklich aufzunehmen und zu lernen. „Spaced Repetition“ bedeutet, dass man diese aktive Abfrage des Wissens in bestimmten Intervallen wiederholt. Je besser eine Information im Gedächtnis geblieben ist, desto seltener muss sie durch eine Abfrage wieder aufgefrischt werden. Neue Informationen oder Dinge, die man sich nicht bzw. falsch gemerkt hat, müssen hingegen häufiger abgefragt werden.
Anwendung und Prüfungsvorbereitung
Damit das Lernen mit Karteikarten und Anki richtig funktioniert, muss man jeden Tag Karteikarten bearbeiten. Das bedeutet, dass man mit dem Lernen für Klausuren deutlich früher anfangen muss. Dafür muss man aber kurz vor der Klausur nicht mehr so viel Zeit investieren, da man die Informationen dann schon gut gelernt hat. Der Arbeitsaufwand wird also von einem kurzen, aber intensiven Zeitfenster vor der Klausur auf einen längeren Zeitraum mit geringerer Intensität verteilt.
Zur aktiven Prüfungsvorbereitung brauche ich, nachdem ich meine Notizen semesterbegleitend erstellt und in Karteikarten umgewandelt habe, also nicht mehr viel zu tun. Ich markiere während des Lernens allerdings besonders wichtige oder schwierige Karteikarten, damit ich sie vor der Klausur gesondert durchgehen kann.
Außerdem arbeite ich parallel zu meinen eigenen Karteikarten Übungsaufgaben, Testklausuren und Gedächtnisprotokolle alter Klausuren durch. Daraus erstelle ich neue Karteikarten, die ich in meinen Workflow integriere.
Natürlich ist es aufwändiger, dieses System durchzuhalten, als einfach kurz vor der Klausur alles auswendig zu lernen. Allerdings vergesse ich die gelernten Inhalte nicht (so schnell) und profitiere somit langfristig vom Lernen, statt mich „nur“ auf eine Klausur vorzubereiten.
Den optimalen Lernraum finden
Es gibt nicht den einen perfekten Lernraum für alle Menschen. Wir alle haben unsere eigenen Vorstellungen und Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen, damit wir möglichst effektiv lernen können. Allerdings lassen sich die meisten Menschen in ein Spektrum einordnen, an dem man sich orientieren kann.
Das Spektrum reicht von privaten, ruhigen Lernräumen bis hin zu öffentlichen, lauteren Orten. Wenn man weiß, wo man sich auf dieser Skala bewegt, ist es leichter, den für sich individuell perfekten Lernraum zu finden. Gerade bei Gruppenarbeiten sollte man darauf achten, dass man sowohl für die Gruppe als solche, als auch für die Individuen, einen guten Lernort findet, damit man möglichst effektiv arbeiten kann.
Es gibt verschiedene typische Orte, die für Menschen auf unterschiedlichen Stufen des Spektrums gute Lernräume darstellen können:
- Zuhause: Der wohl privateste Lernraum sind die eigenen vier Wände. Dieser Arbeitsplatz ist uneingeschränkt erreichbar, man weiß, wo alles ist und kann sich so verhalten, wie man möchte. Allerdings ist die Gefahr von Ablenkungen hier am größten, da auch alle Freizeitgeräte und Internetseiten in direkter Reichweite sind. Zu Hause zu lernen ist perfekt für Menschen, die genügend Selbstdisziplin aufbringen können und eine absolut individuelle, ruhige Atmosphäre zum Lernen benötigen.
- Bibliothek: Alle Schulen, Universitäten und Städte besitzen eine (mehr oder weniger öffentliche) Bibliothek, in der man lesen, lernen und arbeiten kann. Auch wenn es teilweise Flüster- oder Redezonen gibt, ist es normalerweise sehr still. Außerdem hat man Zugriff auf die Literaturquellen und Materialien der Bibliothek und kann den Mitarbeitenden Fragen stellen. Allerdings sind Bibliotheken dadurch nicht zur Zusammenarbeit geeignet. Das Überwachungsgefühl kann zudem überhandnehmen, sodass man sich kontrolliert fühlt.
- Gruppenarbeitsraum: Diese Räume sind perfekt zur Zusammenarbeit geeignet, da dort Diskussionen und Gespräche erlaubt sind. Zudem wird meistens dafür gesorgt, dass für die Gruppenarbeit benötigte Geräte verfügbar sind. Allerdings ist es in diesen Räumen meistens vergleichsweise laut; gegebenenfalls gibt es zu wenig Platz und man wird durch andere einfacher abgelenkt. Zusätzlich müssen die meisten Gruppenarbeitsräume im Voraus reserviert werden.
- Öffentliche Orte: Cafés oder andere öffentliche Orte wie Buchhandlungen oder Parks sind die öffentlichsten Lernorte. Sie haben eine einzigartige Atmosphäre, die man zu Hause oder an anderen Orten nicht kopieren kann, und bieten Essen sowie Getränke an. Allerdings ist es an solchen Orten meistens laut, voll und es gibt zahlreiche Ablenkungen. Manchmal muss man etwas kaufen, damit man in den Cafés sitzen darf, und das kann schnell teuer werden, wenn man es häufig macht.
Natürlich gibt es noch viele weitere Orte, an denen man lernen kann. Probiere möglichst verschiedene Orte aus, um herauszufinden, wo du auf dem Spektrum stehst. Dann kannst du den zu dir passenden, optimalen Lernraum suchen.